Cécile Tlili: Ein Sommerabend (Roman)

145 Seiten, 20.-€, Kein und Aber

 

Der Titel lässt einen lockeren, leichten Roman vermuten, doch das täuscht. Was nach einer harmlosen Einladung aussieht, entwickelt sich zum Albtraum.

 

An einem schwülen Sommerabend haben Etienne und Claudia Remi, einen alter Freund Etiennes, und seine Frau Johar zum Essen eingeladen. Die schüchterne Claudia, die sonst gesellschaftliche Anlässe meidet, gibt sich große Mühe, einen gelungenen Abend vorzubereiten. Von Seiten des Gastgebers ist der wahre Grund des Treffens, Johar mit Charme und Schmeichelei dazu zu bringen, seiner Kanzlei ein Mandat zu verschaffen. Leider vergeblich, denn Johar ist gerade intensiv mit Gedanken an ihre eigenen Karriere beschäftigt. Noch an diesem Abend soll sie entscheiden, ob sie die Geschäftsführung eines Konzerns übernehmen will. Währenddessen fürchtet ihr Mann Rémi, dass durch einen dummen Zufall sein bisher wohlgehütetes Geheimnis herauskommt. Und Claudia muss im Verlaufe des Abends erkennen, dass Etienne nicht der Mann ist, für den sie ihn gehalten hat.

 

Cécile Tlili erzählt mit scharfer Beobachtungsgabe von der Scheinheiligkeit und den Täuschungen in sozialen Kontakten. Das Desaster erinnert an das Kammerspiel „Der Gott des Gemetzels“. Gleichzeitig gibt die Autorin ihren Protagonisten einen hoffnungsvollen Ausblick auf Emanzipation und Selbstbestimmung. Eine unterhaltsame Lektüre, nicht nur für einen Sommerabend.